„Freundlichkeit und eine klare Sprache zahlen sich aus!“

Steuerexperte gibt Tipps für deutsche Unternehmer in China

 Anja Barlen-Herbig |   |  Interviews

Als Steuerberater und Fachberater für Internationales Steuerrecht berät Jürgen Bächle vorwiegend mittelständische Unternehmen in allen steuerrelevanten Fragen mit Auslandsbezug. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind grenzüberschreitende Themen im Verhältnis Deutschland – China. Im Interview zeigt er auf, welche Neuerungen im chinesische Steuersystem 2017 zu beachten sind und in welche Stolperfallen deutsche Unternehmer tappen können.

Chinas Steuersystem ist komplex. Welche neuen Entwicklungen bringt das Jahr 2017 im chinesischen Steuer- und Wirtschaftssystem mit sich?

Bächle: Das Gesellschaftsrecht wurde dahingehend geändert, dass die Gründung eines Unternehmens in China einfacher wird. Es ist nun keine Machbarkeitsstudie mehr einzureichen und das Stammkapital muss nicht mehr in voller Höhe innerhalb von zwei Jahren, sondern erst bis zum Ablauf der Geschäftslizenz eingezahlt werden. Es bleibt aber dabei, dass die Relation von Stammkapital und maximal möglicher Gesellschafterfinanzierung dazu führt, dass man sich ein sehr klares Bild von der finanziellen Entwicklung des Unternehmens machen muss.

Seit  August 2016 ist China neues Mitglied des Monitoring Board der IFRS-Stiftung. China will künftig eine führende Rolle bei der Einführung und Umsetzung der IAS in Asien werden. In China gilt (noch) der lokale Standard, der in den ASBE spezifiziert ist. Es ist jedoch bereits festzustellen, dass die Steuerbehörden die eingereichten Jahresabschlüsse auch vergangener Jahre prüfen und dabei die Einhaltung internationaler Standards verlangen.  Da die Sachbearbeiter mit der Aufgabe fachlich noch überfordert sind, kommt es infolge von Unsicherheit zu Problemen in der Veranlagung. Es wird mehr denn je auf Einhaltung der Compliance wie auch einer korrekten Rechnungslegung ankommen.

China prüft verstärkt, ob unerkannte steuerliche Betriebsstätten vorliegen. Das trifft deutsche Maschinen- und Anlagenbauer ebenso wie Dienstleister. Das neue Doppelbesteuerungsabkommen entschärft diese Problematik etwas, beseitigt sie aber nicht wirklich. Bei Geschäften mit nahestehenden Unternehmen werden die Verrechnungspreise wegen der stark volatilen Währungsparitäten speziell auch darauf geprüft, wer die Währungsrisiken trägt und wer welchen Einfluss auf die Marktpreise in China hat.

 Die Umsatzsteuerreform wurde im Jahr 2016 abgeschlossen. In dem Zusammenhang wurde die bis dahin geltende Business Tax (BT) abgeschafft. Diese hat gerade im Bereich der Dienstleistungen und in der Baubranche zu erheblichen Verteuerungen geführt, weil die BT keinen Vorsteuerabzug gewährte und deshalb von der Projektentwicklung bis hin zum Generalunternehmer bei jeder Stufe zu Kosten führte. Bei Unternehmen, die Güter exportieren, werden jedoch die Vorsteuern nicht voll erstattet. Die Kürzung ist abhängig vom Produkt und von der Wertschöpfung.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass in China alle Preisabsprachen, auch im B2B Geschäft, als Bruttovereinbarung gelten, wenn nicht ausdrücklich eine abweichende Vereinbarung getroffen wurde.   

Das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ist aktuell in allen Medien: China und Deutschland haben das Abkommen bereits 2014 auf den Weg gebracht – zum 1. Januar 2017 ist es nun in Kraft getreten. Was sind die wesentlichen Änderungen?

Bächle: Als wichtigste Änderung erscheint mir die Verlängerung der Frist für das Entstehen einer Bau- und Montagebetriebsstätte von bisher sechs auf nunmehr zwölf Monate. Wie China  und Deutschland damit umgehen, wenn eine Montage im Jahr 2016 begonnen und im Jahr 2017 abgeschlossen wird, muss man sehen, hier fehlt es noch an Verwaltungsanweisungen  auf beiden Seiten, auch in Deutschland.

Hervorzuheben ist auch die Reduzierung der in China einzubehaltenden Kapitalertragsteuer von bisher 10% auf nunmehr 5%. Das entlastet vor allem deutsche Kapitalgesellschaften, weil sie aufgrund der weitgehenden Steuerfreiheit der Dividenden in Deutschland (§ 8b KStG), die in China einbehaltene Steuer hierzulande nicht anrechnen können und auch nicht erstattet bekommen. Den reduzierten Satz von 5% hatte man bisher schon, wenn nicht das deutsche Unternehmen selbst die Beteiligung in China hielt, sondern man dafür eine Gesellschaft in Hong Kong oder Singapur errichtet hatte. Das ist nun nicht mehr nötig, man kann die Struktur somit einfacher gestalten. Vor dem Hintergrund, dass Deutschland mit Hong Kong kein DBA hat und die Finanzämter zunehmend schärfer prüfen, ob diese HK-Gesellschaften sog. „Zwischengesellschaften“ im Sinne des deutschen Außensteuerrechts sind, macht eine Überprüfung der Konstruktion ggf. Sinn. 

Europäische Unternehmen klagen über zunehmenden Protektionismus in China. Der Marktzutritt wird von außen immer schwieriger. Ist der Aufbau eigener lokaler Produktionsstätten in China gerade auch für Mittelständler eine Option?

Bächle: Unbedingt. Es wird sich in Ansehung der erschwerten Importe durch Zölle und zeitraubender Verwaltungswege auch vor dem Hintergrund der Währungsparitäten zunehmend schwieriger gestalten, in einem Währungsraum zu produzieren und im anderen zu verkaufen. Wer lokal produziert, hat diese Probleme nicht. Er hat vor allem auch weniger Kapitalbindung zu finanzieren, weil die Logistikwege kürzer sind und damit das Produkt nicht zusätzlich mit Kosten belastet ist. Als wichtigsten Faktor sehe ich die Nähe zum Kunden, und damit auch in der Lokalisierung der Produkte. Wenn von der Bestellung bis zur Auslieferung weniger Zeit vergeht, nehmen auch die Risiken ab.

Was sind die typischen Fehler und Stolperfallen für deutsche Unternehmen, die in China agieren?

Bächle: Die Unternehmen denken und handeln „europäisch“ und das sollen sie auch. Die Geschäftspartner und Mitarbeiter denken und handeln jedoch selten europäisch; auch dann nicht, wenn sie in Europa studiert und gearbeitet haben und unsere Sprache sprechen. Auch die Gesetze und die Verwaltungsorgane in China folgen anderen Handlungs- und Entscheidungsmustern, als ausländische Unternehmen das erwarten. Bilanzen und Erfolgsrechnungen sehen rein äußerlich in China nicht viel anders aus als in Deutschland. Man meint daher, den Inhalt zu verstehen und interpretiert ihn entsprechend. Inhaltlich aber folgt eine chinesische Rechnungslegung völlig anderen Regeln und ist daher gerade nicht vergleichbar. Da es zwar eine Pflicht zur Erstellung der Handelsbilanz gibt, das aber niemanden interessiert, auch keine Publizitätspflicht besteht, darf man von der Qualität der Informationen auch nicht allzu viel erwarten. Als Handlungsprämisse dominiert ein Unwesen namens Fapiao das Geschehen. Fapiao sind formelle Steuerrechnungen, die man auch für wenig Geld auf dem Bahnhofsvorplatz kaufen kann. Diese werden in das Rechnungswesen eingeschleust, um Steuern zu sparen. Dumm nur, dass diese Fapiao auch noch gezahlt werden, an wen auch immer. 

In China braucht man daher ein völlig anders konzipiertes Risk-Management und ein effektives Controlling, das aber selten vorhanden ist. Ausländische Unternehmen lassen sich oft etwas davon erzählen, dass in China eben alles anders sei und verzichten irgendwann auf weitere Nachfragen. Das aber ist ein Fehler. Man darf das Steuer niemals loslassen und muss Präsenz zeigen, dann klappt das auch mit dem Unternehmen in China.    

In China stehen volkswirtschaftliche Interessen über betriebswirtschaftlichen Einzelinteressen. Das drückt sich z.B. in der Regulierung der Währungsparität aus und schlägt sich unmittelbar bereits im Gründungskonzept eines Unternehmens wieder. Ausländischen Unternehmen ist kaum bewusst, dass anders als in westlichen Staaten es eine feste Relation zwischen dem Stammkapital und der maximalen Höhe weiterer Finanzierung und Finanzierungshilfen durch verbundene Unternehmen gibt (borrowing gap). So verändert sich nach 90 Tagen ein Lieferantenkredit automatisch in ein nicht genehmigtes Gesellschafterdarlehen. Folge: Die Rechnung darf bei Überschreiten des borrowing gap nicht mehr gezahlt werden und muss in China erfolgswirksam und damit steuererhöhend ausgebucht werden.

Welche Tipps können Sie deutschen Unternehmern geben, die Geschäftsbeziehungen zu China aufbauen möchten?

Bächle: Sie sind ein deutsches Unternehmen und das sollten Sie auch bleiben, in allen Belangen. Ich halte wenig davon, sich Gepflogenheiten anzupassen, die nicht unserem Wertebild entsprechen. Sprechen Sie in aller Freundlichkeit immer eine klare Sprache, das zahlt sich aus. Gehen Sie davon aus, dass Ihr Gegenüber von einem deutschen Unternehmen in aller erster Linie Qualität erwartet und damit auch in China punkten will. Achten Sie darauf, dass die Verträge, die Sie üblicherweise abschließen, für China nur bedingt verwendbar sind. Auch Ihr Geschäftspartner hat evtl. nicht wirklich Erfahrungen mit internationalem Recht und so laufen Sie am Ende beide Gefahr, den Vertrag nicht wie vorgesehen zu Ende bringen zu können. Deutschland und China haben kein Vollstreckungsabkommen. Das Gerichtsurteil aus einem Land ist im anderen Land deshalb nicht durchsetzbar. Das muss bedacht und entsprechend geregelt sein.

Planen Sie Ihr Vorhaben sorgfältig und nehmen Sie dazu erfahrene Berater mit an den Tisch. Wenn Sie in China einen Vertrieb oder eine Produktion aufbauen, verändert das auch die Geschäftsprozesse in Ihrem Unternehmen zuhause. Die Planung muss sich deshalb auf das gesamte Unternehmen erstrecken. 

Herr Bächle, vielen Dank für das Gespräch.